Geschichte Kapelle

Auszug aus der „Neuen Sächsischen Kirchengalerie“

1899 wurde nach den vom Kirchlichen Kunstverein geschenkten Plänen des Architekten Quentin unter dessen Oberleitung durch die Baumeister Schröter, Vater und Sohn, Großhennersdorf und Bernstadt, im Renaissancestil des XVI. Jahrhunderts eine mit Dachreiter auf dem Ostgiebel und Chorempore versehene zweistöckige Friedhofskapelle unter namhaften Beihilfen der Kirchenbehörden erbaut. Im Untergeschosse befinden sich zwei Leichenkammern, ein Geräteraum, ein Totenbettmeister- und Sezierzimmer. An den Wänden der ersteren sind folgende Sprüche zu lesen: Ich bin die Auferstehung und das Leben usw. Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe usw. Selig sind, die da Leid tragen usw.; und Leben wir, so leben wir dem Herrn usw. im Zimmer des Totenbettmeisters: Der Ort, da du auf stehest, ist ein heiliges Land und im Sezierzimmer: Ich bin der Herr, dein Arzt und Siehe, der Hüter Israels schläft und schlummert nicht. Das ganze Obergeschoß, zu dem der Zugang zu ebener Erde infolge des ansteigenden Friedhofes möglich ist, bildet der Kapellenraum, überwölbt von einem mit Passionsblumen- und Lilienornamenten geschmückten Holzgewölbe, welches nach unten durch einen Distelfries abgeschlossen wird. Den Altarbogen umrahmen zwei Palmen, die den Spruch tragen: Jesus Christus hat dem Tode die Macht genommen, über dem Chorbogen liest man: Der Tod ist verschlungen in den Sieg; um den Altarraum: Christus ist mein Leben usw. Die Rippen über letzteren sind mit Rosen-, Fenster und Türen mit Weinblattornamenten umrahmt, während die Füllungen zwischen den Bogen der Fenster mit Lutherrosen geziert sind. Die Kapelle hat Heizung durch Wasseralfinger Ofen; Linoleumfußboden, Kirchenstühle, und neuerdings Pedalharmonium. Über dem Altare erhebt sich ein von Frau Rentiere Staude in Pirna gestifteter, vom Bildhauer Schneider in Copitz geschaffener Aufsatz aus französischem Kalkstein, auf den durch die von C. L. Türke in Zittau gemalten Fenster ein gedämpftes Licht fällt; das linke, die Kreuzigung Christi, ist von den Vereinen der Stadt, das Mittelfenster (Pelikan) vom Kirchenvorstand Reichel und Stadtrat Heinrich, das rechte, die Auferstehung, von den Landleuten der Parochie geschenkt. Die Pflegetochter des ehemaligen Bürgermeisters Reiner, Frau Döring in Pirna, stiftete zum Gedächtnis an ihre Pflegeeltern zwei bronzene vergoldete Renaissanceleuchter, Frau Zollinspektor Weber den in St. Ullrich geschnitzten Corpus des Heilandes, wozu sie hier durch Drechslermeister Friedrich Kreuz und Fuß schnitzen ließ; von demselben stammt das von der Familie Neubert geschenkte Lesepult. Die Frauen der Parochie aber erfreuten auf Anregung von Frau Geheimrat Hensel, der Tochter des ehemals hier hochangesehenen Stadtrichters Hensel, die Kirchengemeinde durch Überreichung einer kostbaren von Prof. Beck in Herrnhut gearbeiteten schwarzen Altarbekleidung mit gleichschenkligem Kreuze, während die Sammlungen der Schulkinder der Schulen zu Bernstadt und Neundorf und der Jugend der gesamten Parochie zur Beschaffung des von der Glockengießerei von C. Albert Bierling in Dresden gegossenen Glöckleins (Fis) mit der Inschrift: „Der Meister ist da“ Verwendung fanden. Die Kapelle ist laut Gründungsurkunde, die sowohl von dem Kirchenvorstande, dem Stadtrate, der Kollaturherrschaft unterzeichnet und von der Konsistorialbehörde genehmigt worden ist, nur für evang. Lutherischen Ritus bestimmt. Die Kapelle steht als ein besonderer Schmuck auf dem seit 1836 ausschließlich benutzten steil ansteigenden Friedhofe jenseits der Pließnitz. Der alte Kirchhof ist zum Kirchplatz umgewandelt und soll demnächst mit Platanen und Ahorn bepflanzt werden.

Knopfturm

Auszug aus dem Geschäfts-Anzeiger vom 20. 05. 1899

Bernstadt, 17. 05. 1899

Nach langen, langen Regentagen, die den Fortgang der vorbereitenden Erdarbeiten nicht wenig gehemmt und aufgehalten hatten, fand am heutigen Nachmittag um 5 Uhr bei schönstem Sonnenschein die feierliche Grundsteinlegung zu der auf hiesigem Friedhofe zu erbauenden Begräbniskapelle statt. Die Teilnehmer an dieser ernsten Feier, die Herren Geistlichen, die Mitglieder des Kirchenvorstandes, Herr Oberförster Schneider als Vertreter des hochw. Patronatsherrschaft, Herr Bürgermeister Löwe, Herr Amtsrichter Dr. Knauf, Mitglieder des Stadtrats und Stadtverordneten……

Auszug aus dem Geschäftsanzeiger vom …… (nicht ersichtlich)

Thurmknopfurkunde vom 25. 08. 1899

Der Bau, dessen Grundstein am 17. Mai, wie aus beiliegender Nr. 41 des 6. Jahrgangs des Bernstädter Geschäftsanzeigers ersichtlich, in Gegenwart vieler offizieller Teilnehmer und zuschauender Gemeindeglieder gelegt worden, ist nun mit Gottes Hilfe so weit gediehen, dass heute – am 25. August 1899 – nachmittags 4 Uhr der Thurmknopf mit Wetterhahn und Kreuz aufgesetzt werden konnte. Unter Gottes gnädigem Schutze ist der Bau ohne irgend welchen Schaden, denn der am 4. August abgestürzte Maurer Wilhelm Kusche, konnte bereits am 7. August seine Arbeit wieder aufnehmen, zur Ehre Gottes soweit geführt worden, dass der Rohbau fertig und die Abputzarbeiten, die Fußbodenwölbung, die Holzdecke und das Ziegeldach gleichzeitig täglich mehr ihrer Vollendung entgegengeführt werden können. Am 2. August fand die in Nr. 63 des 6. Jahrgangs des hießigen Geschäftsanzeigers erwähnte Hebefeier in einfachster Weise statt, am 5. August abends 6 Uhr setzte der unterzeichnete Pfarrer den letzten Ziegel in den Altarbogen ein, am 14. August morgens 7 Uhr wurde das Kreuz auf dem Westportalgiebel in Gegenwart des Pfarrers aufgesetzt. An auf den Bau bezüglichen Beschlüssen ist zu erwähnen, daß die Glaserarbeiten, soweit sie den eigentlichen Kapellenraum betreffen, der Firma C. L. Türke, Zittau in Sachsen, Königl. Sächs. Hofglasmalerei, in der Weise übertragen worden ist, daß der Altarraum ein durch ein buntes ornamentes Kreuz geziertes Rundbogenfenster erhält, zu dessen Linken die Kreuzigung Jesu Christi, zu dessen Rechten die Auferstehung unseres Heilandes zugleich als Sinnbilder für des Christen Sterben und Auferstehungshoffnung in bunter Glasmalerei ausgeführt werden sollen. Sämtliche übrigen Fenster erhalten nur eine mit einem einfachen bunten Rande eingefaßte aus sechseckigen Katedralglasscheiben bestehende Verglasung. Zur Ausschmückung der Kapelle sind, was mit besonderem Dank erwähnt sein soll, von einzelnen Gemeindegliedern beziehentlich Angehörigen ehemaliger Gemeindeglieder zur bleibenden Erinnerung an dieselben die Altarleuchter und das Kruzifix in Aussicht gestellt worden, während ein Damenausschuß, dem Frau Geheimrat Therese Hensel, eine Nachkommin der in Bernstadt hochangesehenen Familien Bräske und Hänsel, Frau Pastor Jenny Herrmann als Vertreterinnen der ganzen Parochie, Frau Bürgermeister Therese Löwe, Frau Gemeindevorstand Töpfer-Altbernsdorf und Frau Gemeindevorstand Eifler-Kunnersdorf als Vertreterinnen von Einzelgemeinden angehören, in liebenswürdigster Weise zum Zwecke der Beschaffung einer künstlerisch würdigen Altarbekleidung eine allgemeine Sammlung unter sämtlichen Frauen der Parochie angeregt haben, welche bereits die Höhe von 300 Mark wesentlich überschritten hat. Auch die Jugend des Kirchspiels hat, schöner Sitte gemäß, eine Sammlung begonnen zur Beschaffung des Glockleins. Wichtig für die künftige Benutzung der Kapelle ist der Beschluß des Kirchenvorstandes vom 13. August demzufolge bei sämtlichen Beerdigungsklassen bei Unwetter oder auf Wunsch der Angehörigen oder des amtierenden Geistlichen die Leichenfeierlichkeiten in der Kapelle abgehalten werden sollen, wobei der Sarg an der vorgesehenen Stelle in der Kapelle vor dem Altar Aufstellung finden soll.

Gleichzeitig mit dem Bau der Friedhofskapelle, welche künftighin nur diesen Namen offiziell führen soll, hat man in der Stadt fleißig an der Einrichtung der elektrischen Beleuchtung gearbeitet; am 21. August wurde gleichzeitig die elektrische Einrichtung in Pfarre und Diakonat fertiggestellt, während die Installationsarbeiten in der Kirche nächsten Montag, den 28. August beginnen und etwa zwei Wochen, bis zur Kirchweih, in Anspruch nehmen sollen. Gott der Herr gebe, das auch diese im Dienst der Gemeinde unternommenen Arbeiten ohne Unfall vollendet werden und den dankbaren Beifall der ganzen Gemeinde finden möchten.

Personalveränderungen sind in keiner Amtsstelle oder Gemeindevertretung seit der Grundsteinlegung vorgekommen. Eine besondere Auszeichnung wurde den beiden treuverdienten Kirchenvorstandsmitgliedern Herrn Lithograph und Sparkassenrendant Carl Schneider und Herrn Stadtrat Georg Kleinig durch Verleihung von Anerkennungsurkunden durch das Hohe Evangelisch-lutherische Landeskonsistorium zu teil, welche gelegentlich des am 11. Juni, wie aus Nr. 48, 6. Jahrgang des hiesigen Geschäftsanzeigers ersichtlich, hier stattgefundenen Kreisfestes des evangelischen Männer- und Jünglingsvereine durch den Unterzeichneten Pfarrer im Festgottesdienste überreicht wurden.

Zusammen mit diesem kurzen Berichte werden gleichzeitig in den Turmknopf eingelegt eine Abschrift der Grundsteinlegungsrede vom 17. Mai 1899, das zweite Exemplar der Grundsteinurkunde mit einer Abschrift der Bestätigung derselben durch die Königl. Kreishauptmannschaft, und eine Bismarckgedächtispredigt vom 7. August 1898 und eine Kreisfestpredigt vom 11. Juni 1899 und die Nummern 41, 48 und 63 des 6. Jahrganges (1899) des hiesigen Geschäftsanzeigers, sowie eine Zusammenstellung aller bis jetzt beim Bau verwendeten Materialen, auf Grund der Lieferungsbücher des Poliers Herrn Posselt, zusammengestellt von Herrn Baumeister Schröder jun. Endlich eine Postkarte mit der Ansicht von Bernstadt, der neuen Friedhofskapelle und der neuenTurhalle. Gott der Herr halte seine schirmende Hand über sein Haus, über die Kapelle und seine Gemeinde. Amen

Bernstadt, den 25. August 1899

Im Namen des Kirchenvorstandes

Pastor Herrmann.

Georg Kleinig

Außerdem fand nachstehendes Verzeichnis im Knopf Aufnahme:

Hierdurch kund und zu wissen, daß zum Bau der Friedhofskapelle an hauptsächlichsten Materialien verbraucht worden sind: Ca. 290 Fuhren aus den Kunnersdorfer Steinbrüchen

28 Fuhren Klarschlagsteine zum Beton

250 Fuhren Sand aus Bernstädter und Neundorfer Sandgruben

850 Zentner Graukalk und Teplitzer Kalk

56000 Stück Mauerziegeln

24 Tonnen Zement

140 laufd. m Bindersteine von Granit aus den Herwigsdorfer Steinbrüchen

60 laufd. m gebrannte Schleußenrohre

12 cbm. Granitputzarbeiten vom Herwigsdorfer Granit

19,50 cbm. Sandsteinarbeiten von Cottaer Sandstein

250 cbm. Isolier- und Unterlagspappe

29,50 cbm. Bauholz

26,50 cbm. Bretter und Latten für Decken- und Dachschalung

19000 Stück DachziegelnAn Rüstholz wurden 23 Fuhren verbraucht.

Die Einweihung fand wahrscheinlich am 27. 12. 1899 statt. Dazu fanden sich Einladungen.

Die Kosten beliefen sich auf 28071,05 M.